Sonntag, 13. Juli 2008

08.07.2008 murder by death @ molotow, hamburg

TEQUILA WAS FOR SUPPER

Dass eines der besten Musikclubs Deutschlands zum Ende des Jahres seine Pforten schließen muss, weiß man leider nicht erst seit gestern, also nichts wie hin, solange es noch geht. Und bloß nicht nostalgisch werden, nur weil man hier in Molotow Bands wie Mclusky, The Thermals, JR Ewing, 65daysofstatic, Bondage Fairies, Mono, The Gossip, Sons and Daughters oder Melt-Banana gesehen hat. Murder By Death reihen sich auch in diese Liste ein und spielen hier heute zum zweiten Mal innerhalb von letzten fünfzehn Monaten, damals wie heute mit einer neuen Platte im Gepäck.

Und wie es wohl aussieht werden sie dann bei ihrem nächsten Besuch in Hamburg sich nach einer anderen Auftrittslocation umschauen, also noch ein Tequila auf den Club wo man so viele hervorragende Bands gesehen hat und rein in den Konzertraum. Um nur festzustellen, dass man doch lieber beim Alkoholkonsum an der Bar bleiben sollte, denn bei allem Respekt zu den Vorbands, das was da auf der Bühne steht ist eine optische und akustische Beleidigung des Publikums und des Hauptakts. Guilty Guitars sind schuldig im Sinne der bereits erwähnten Anklage und auch noch ohne jegliche Charisma und definitiv „ohne Eier“ (O-Ton Christian). So schlimm mir auch diese Band erscheint, so lange spielt sie auch noch, kann dennoch die Vorfreude auf Adam „The Huge Sideburns“ Turla und seine Mörderbande nicht trüben.

Als Murder By Death ihr Set mit dem Lied “Ball & Chain” eröffnen versteht man, dass sie durchaus Eier haben, diese aber nicht plakativ zur Schau stellen oder durch Manowar-Breitbeinigkeit untermauern werden. Die guten Songs über die ewigen Themen wie Rache, Sühne, Betrug und Mord sprechen einfach für sich und die Stimme von Adam klingt auch bei diesem teilweise matschigen Sound einfach überragend. Im Laufe des Konzerts werden fast alle Songwünsche erfüllt, denn die Band legt zwar den Hauptfokus auf die neue Platte “Red Of Tooth And Claw”, vergisst aber auch nicht die alten Hits wie “Devil In Mexico” oder “Brother” zum Besten zu geben. Die Cellospielerin Sarah ist wie immer ein Blickfang für das männliche Teil des Publikums, der Bassist macht auf der Bühne eine gute Figur auch wenn sein Instrument bei einem der Songs versagt und bei dem Sänger frage ich mich sowieso die ganze Zeit ob der den Hals jeden Abend mit Jack Daniels ausgurgelt und seinen riesigen Koteletten mit Naturkräutern zum übermäßigen Wachstum verhilft.

In der ersten Reihe stehend und mit der Tracklist vor Augen summe ich “oh carry, their little bodies to the cemetery, so gently!” vor mich hin, komme aber, wie es manchmal so ist, nicht auf den Namen des Songs. Als die Band dann zum Schluss “Comin’ Home” anstimmt (den perfekten Rausschmeißer eigentlich, wenn man mich fragt) ist mein Songwunsch immer noch nicht erfüllt. Für die Zugabe sind sie dann wieder da, ich aber natürlich nicht besoffen genug um auf die Bühne zu klettern und denen vorzusingen was ich unbedingt hören will, also fehlt mir spontan nur “Boy Decide” ein, was prompt auf meinen Wunsch gespielt wird.

Noch ein Song und eine akustische Zugabe von “Shiola” und man bestellt sich ein Astra um den Flüssigkeitsverlust, der während des Konzerts entstanden ist, zu kompensieren. Dann geht man zum Merchandisingstand um mit der Band ein Paar Worte zu wechseln. “Ja, war toll!“. --- “Ja, kommt noch mal nach Hamburg zurück, auch ohne neue Platte”. --- “Ja, cooler Club, wat?”. Und hier Stopp. Weiter muss man die Jungs ja auch nicht mit den aktuellen Problemen unserer Kulturlandschaft beschäftigen.

Aber war’s das mit den Konzerten im gemütlichen Molotow-Keller? Tja, anscheinend. Das Klub-T-Shirt habe ich mir trotzdem nicht gekauft, schließlich steht da noch nicht endgültig “Molotow R.I.P.” drauf und bis dahin kann man sogar davon träumen hier noch mal “Mord durch den Tod” zu sehen.

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Dienstag, 8. Juli 2008

30.06.2008 converge @ orlandina, sankt petersburg


TO SEE AND TO BE SEEN

Nicht erst seit gestern weiß man, dass in Russland viel Wert auf das Äußere gelegt wird: auf die Statussymbole des modernen Kapitalismus, auf die protzigen Schmuckstücke und neuesten technischen Gadgets. Diese werden gerne zur Schau gestellt um der Öffentlichkeit den Eindruck eigener Coolness und Lässigkeit zu vermitteln. Und diese, sagen wir mal „Mentalitätssache“, gilt heutzutage fast für jeden Russen der es zu etwas gebracht hat und merkwürdigerweise auch für die Hardcore-Szene der Stadt, nur hier hat man eben ein wenig andere Statussymbole. Kaum aus der U-Bahn und auf dem Weg zum Klub sieht man sofort das fein rausgeputzte Publikum mit 50 Zentimeter hohen grünen Iros, frischen bunten Tattoos, neusten Band T-Shirts und obligatorischen Ohrtunneln. Normalos sind eher die Ausnahme und die Emo-Kids mit engen Jeans und Seitenscheiteln, die durchaus das Stadtbild von St. Petersburg prägen, fehlen zum Glück. Die Musik die heute gespielt wird ist ja auch zu heftig für die zarten emotionalen Geschöpfe und außerdem könnte auf dem Konzert die Frisur ruiniert werden, ferner besteht durchaus die Möglichkeit zufällig im Mosh oder außerhalb eins auf die Fresse zu bekommen. Auch nicht schön. Auch aus meiner Sicht.

Der lokale Support-Act schlägt gleich in die gleiche Kerbe wie die vorher erwähnte „Mentalitätssache“, sprich mehr Schein als Sein: die Bühnenbewegungen von Dillinger Escape Plan und anderen Mathcore Bands penibel einstudiert, 25 Minuten Bla-bla-bla-Mucke runtergebrettert. Der Name Maria: Abort Chosen muss wahrscheinlich den Eindruck vermitteln, dass die Band ganz schön Metal ist, unangepasst und gegen organisierte christliche Religion und so. Im Gedächtnis bleibt aber nur was von der Optik der Band hängen (natürlich viele Tattoos und cooles Washington Huskies T-Shirt des Frontmans), die Musik geht einem am A. vorbei, da sie die Qualität der Vorbilder bei weitem nicht erreicht.


Danach kommt aber eine der besten und prägnantesten Bands aus dem hard-math-metal-was-auch-immer-core auf die Bühne und trotz richtig nervig leuchtender Reklameplakate an den Wänden und nicht ganz voll gefüllter Location ist die Begeisterung im Publikum durchaus zu spüren. Converge spielen zum ersten Mal in St. Petersburg, es ist überhaupt ihr erster Gig in Russland (Moskau kommt erst zwei Tage später) und für einige der anwesenden bedeutet diese Band die Welt. In der Mitte entsteht sofort ein Moshpit wo die Kids ihre neuesten Kung-Fu und Karate Moves präsentieren, immer in der Hoffnung jemanden „zufällig“ zu treffen. Blaue Flecken sind vorprogrammiert und von Unity und aufeinander aufpassen ist nichts zu sehen. Bei einem sehr aktiv mit den Händen und Füssen rumfuchtelnden Kollegen mit der Trainingshose und ärmellosen T-Shirt frage ich mich ob er überhaupt jemals einen Song von Converge gehört hat. Die die direkt vorne stehen fressen aber der Band aus der Hand und können sogar Jacob beim schreien würdig vertreten. Einer stürmt auf die Bühne und übernimmt den Part des Sängers bei „Concubine“, gar nicht so schlecht sogar, die Band schmunzelt und lässt ihn gewähren. Nur von der Bühne mit den Füssen nach vorne direkt ins Publikum zu springen ist nicht gerade die feine Art, dann gibt es vielleicht sogar Tote, aber meistens gibt es Verletzte.


Viel mehr Spaß macht es der Band zuzusehen die eine wirklich ordentliche Performance bei diesem eher mittelmäßigen Sound abliefert, wobei sich Jacob beim Singen wirklich anstrengen muss und am Ende locker zwei Liter Schweiß verloren hat. Als Zugabe auf Nachfrage der Die-Hard-Fans vor der Bühne wird „Fault and Fracture“ gespielt obwohl ich und die andere Hälfte des Saals lautstark „Jane Doe“ fordern. Aber sei es drum, die Jungs geben noch mal alles und hinterlassen einige mit der Erkenntnis zurück das beste Konzert Ihres Lebens gesehen zu haben wie die vielen nach dem Konzert geschriebenen Forenbeiträge im Internet beweisen.


Ganz soweit muss man natürlich nicht gehen, aber es war durchaus solide was die Band da abgeliefert hat und dass Jacob noch lange vor der Bühne bleibt und sich von den Fans fotografieren und anfassen lässt macht Converge trotz des „Harten-Jungs“ Image noch sympathischer. Das Publikum hat natürlich auch was gesehen und sich vor der dem Klub, im Moshpit und sogar auf der Bühne präsentiert, auch wenn nicht immer von der besten Seite (Idioten gibt’s ja schließlich überall). Wettgemacht haben die Konzertbesucher dies aber damit dass sie am Ende der Show minutenlang „Thank You“ skandiert haben. Und da haben die Russen gezeigt dass Sie durchaus eine gute Erziehung haben und sich für was Sehenswertes herzlich bedanken können.

Mehr Fotos hier.

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