Dienstag, 8. Juli 2008

30.06.2008 converge @ orlandina, sankt petersburg


TO SEE AND TO BE SEEN

Nicht erst seit gestern weiß man, dass in Russland viel Wert auf das Äußere gelegt wird: auf die Statussymbole des modernen Kapitalismus, auf die protzigen Schmuckstücke und neuesten technischen Gadgets. Diese werden gerne zur Schau gestellt um der Öffentlichkeit den Eindruck eigener Coolness und Lässigkeit zu vermitteln. Und diese, sagen wir mal „Mentalitätssache“, gilt heutzutage fast für jeden Russen der es zu etwas gebracht hat und merkwürdigerweise auch für die Hardcore-Szene der Stadt, nur hier hat man eben ein wenig andere Statussymbole. Kaum aus der U-Bahn und auf dem Weg zum Klub sieht man sofort das fein rausgeputzte Publikum mit 50 Zentimeter hohen grünen Iros, frischen bunten Tattoos, neusten Band T-Shirts und obligatorischen Ohrtunneln. Normalos sind eher die Ausnahme und die Emo-Kids mit engen Jeans und Seitenscheiteln, die durchaus das Stadtbild von St. Petersburg prägen, fehlen zum Glück. Die Musik die heute gespielt wird ist ja auch zu heftig für die zarten emotionalen Geschöpfe und außerdem könnte auf dem Konzert die Frisur ruiniert werden, ferner besteht durchaus die Möglichkeit zufällig im Mosh oder außerhalb eins auf die Fresse zu bekommen. Auch nicht schön. Auch aus meiner Sicht.

Der lokale Support-Act schlägt gleich in die gleiche Kerbe wie die vorher erwähnte „Mentalitätssache“, sprich mehr Schein als Sein: die Bühnenbewegungen von Dillinger Escape Plan und anderen Mathcore Bands penibel einstudiert, 25 Minuten Bla-bla-bla-Mucke runtergebrettert. Der Name Maria: Abort Chosen muss wahrscheinlich den Eindruck vermitteln, dass die Band ganz schön Metal ist, unangepasst und gegen organisierte christliche Religion und so. Im Gedächtnis bleibt aber nur was von der Optik der Band hängen (natürlich viele Tattoos und cooles Washington Huskies T-Shirt des Frontmans), die Musik geht einem am A. vorbei, da sie die Qualität der Vorbilder bei weitem nicht erreicht.


Danach kommt aber eine der besten und prägnantesten Bands aus dem hard-math-metal-was-auch-immer-core auf die Bühne und trotz richtig nervig leuchtender Reklameplakate an den Wänden und nicht ganz voll gefüllter Location ist die Begeisterung im Publikum durchaus zu spüren. Converge spielen zum ersten Mal in St. Petersburg, es ist überhaupt ihr erster Gig in Russland (Moskau kommt erst zwei Tage später) und für einige der anwesenden bedeutet diese Band die Welt. In der Mitte entsteht sofort ein Moshpit wo die Kids ihre neuesten Kung-Fu und Karate Moves präsentieren, immer in der Hoffnung jemanden „zufällig“ zu treffen. Blaue Flecken sind vorprogrammiert und von Unity und aufeinander aufpassen ist nichts zu sehen. Bei einem sehr aktiv mit den Händen und Füssen rumfuchtelnden Kollegen mit der Trainingshose und ärmellosen T-Shirt frage ich mich ob er überhaupt jemals einen Song von Converge gehört hat. Die die direkt vorne stehen fressen aber der Band aus der Hand und können sogar Jacob beim schreien würdig vertreten. Einer stürmt auf die Bühne und übernimmt den Part des Sängers bei „Concubine“, gar nicht so schlecht sogar, die Band schmunzelt und lässt ihn gewähren. Nur von der Bühne mit den Füssen nach vorne direkt ins Publikum zu springen ist nicht gerade die feine Art, dann gibt es vielleicht sogar Tote, aber meistens gibt es Verletzte.


Viel mehr Spaß macht es der Band zuzusehen die eine wirklich ordentliche Performance bei diesem eher mittelmäßigen Sound abliefert, wobei sich Jacob beim Singen wirklich anstrengen muss und am Ende locker zwei Liter Schweiß verloren hat. Als Zugabe auf Nachfrage der Die-Hard-Fans vor der Bühne wird „Fault and Fracture“ gespielt obwohl ich und die andere Hälfte des Saals lautstark „Jane Doe“ fordern. Aber sei es drum, die Jungs geben noch mal alles und hinterlassen einige mit der Erkenntnis zurück das beste Konzert Ihres Lebens gesehen zu haben wie die vielen nach dem Konzert geschriebenen Forenbeiträge im Internet beweisen.


Ganz soweit muss man natürlich nicht gehen, aber es war durchaus solide was die Band da abgeliefert hat und dass Jacob noch lange vor der Bühne bleibt und sich von den Fans fotografieren und anfassen lässt macht Converge trotz des „Harten-Jungs“ Image noch sympathischer. Das Publikum hat natürlich auch was gesehen und sich vor der dem Klub, im Moshpit und sogar auf der Bühne präsentiert, auch wenn nicht immer von der besten Seite (Idioten gibt’s ja schließlich überall). Wettgemacht haben die Konzertbesucher dies aber damit dass sie am Ende der Show minutenlang „Thank You“ skandiert haben. Und da haben die Russen gezeigt dass Sie durchaus eine gute Erziehung haben und sich für was Sehenswertes herzlich bedanken können.

Mehr Fotos hier.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Poor poor party animals. Aber jaaa, ich freu mich total auf Converge in Hamburg. Bisher hat mir noch keine hxc Band live gefallen, aber das wird sich wohl ändern müssen.

nopartyanimalswereharmed hat gesagt…

na ja, nicht ganz die wahrheit: von daughters (die auch irgenwas-core sind) warst du ja hin und weg. aber auf converge in HH bin ich auch sehr gespannt; ist ja sogar günstiger die hier zu sehen als in piter...

Anonym hat gesagt…

Warst zufällig in Russland unterwegs oder bist etwa extra dafür nach St. Petersburg? Ich hab Converge leider nicht sehen können, von meinen Kumpels wollte da auch keiner mit :-/ Immerhin schön zu lesen was da so abging.

nopartyanimalswereharmed hat gesagt…

ich musste sowieso wegen der arbeit nach spb. und habe es dann so kombiniert, dass ich zum converge konzert gehen konnte. leider was cooles in der gleichen zeit in hamburg verpasst und converge dann obendrauf noch mal in hh gesehen. also so lebt es sich als konzert-junkie .)