Montag, 5. Mai 2008

02.05.2008 shellac @ maria am ostbahnhof, berlin


MINIMAL MY ASS!

Nun ja, mal wieder ein Konzert in Berlin, der total hippen Stadt mit nicht weniger, für uns provinziellen Quasi-Norddeutschen, hippen Publikum in einer (na ja, fast) hippen Location. Wahrscheinlich kommt es einem unbewusst nur so vor, aber der Eindruck setzt sich sofort fest als wir bei Maria am Ostbahnhof ankommen, vor Ort das Schild SOLD OUT sehen und von mehreren Angereisten nach den Karten gefragt werden. Keine Abendkasse, keine Gästeliste, keine Möglichkeit nach draußen zu gehen nachdem man erstmal drin ist. Ganz schön arrogant, ganz schön Berlin, mit Garderobe für 1,20€ (WTF?) und Astra (thanx GOD!) für 2,5€. Und wer spielt da heute überhaupt? Eine Band die kaum eine Handvoll Platten veröffentlicht hat und zwischen 2000 und 2007 so gut wie nichts Offizielles. Eine Band die so minimalistisch ist, dass man eigentlich das heutzutage überall präsente übercoole Begriff Minimal auch auf sie anwenden darf. Eine Band in der Steve Albini Gitarre spielt. Und da wären wir, bei dem berühmtesten Indie-Noise-Rock Produzenten, der eigentlich gar keiner ist, sich selber lieber Tontechniker nennt und dazu auch noch so aussieht. Und deswegen sind sie alle gekommen: die Hippen, die Angereisten, die Szeneleute und Musikfreaks.

Den Anfang der Show macht eine Dame namens Allroh. Alleine auf der Bühne, eine völlig übersteuerte Gitarre, viel Lärm, Gesänge wie von einer Schamanin, gewöhnungsbedürftig, sehr, sehr sehr sogar. Der Konzertbesucher vor mir schüttelt skeptisch den Kopf und sucht nach Verbündeten. Er hätte schon viele schlechte Bands als Support von Shellac erlebt, aber das toppt noch mal alles, verrät er mir. Die meisten Konzertbesucher scheinen die Dame dennoch stoisch zu ertragen. Die Belohnung in Form von Hauptband ist ja zum Greifen nah.


Schließlich entern zwei unscheinbare Typen die Bühne und werkeln da an Mikros, Kabeln und Instrumenten rum. Der Dritte, ein wenig freakig aussehender, schiebt das Schlagzeug nach vorne und setzt dann auch gleich alle Teile zu Recht. Ungefähr nach einer Minute verstehe auch ich: das sind keine Roadies, das ist die Band. Kurze Zeit später geht’s dann auch los und die Begeisterung im Publikum steht im krassen Gegensatz zum Bekanntheitsgrad der Band für den Otto-Normal-Verbraucher. Albini spielt eine total abgewrackt aussehende Gitarre, die später sogar wirklich kaputt gehen sollte (und das ohne auf der Bühne zertrümmert zu werden) und trägt zerrissene Jeans aus den 90ern. So sieht er wirklich wie ein Relikt aus; einer aus den Zeiten der bekanntesten von ihm produzierten Platte: „In Utero“ von einer gewissen Band aus Seattle. Beim Anblick der Effektgeräte für die Gitarre würde sich jede Post-Rock-Shoegaze Kapelle vor Lachen in die Hose pissen und auch der Drummer spielt keine Free-Jazzimprovisationen. Der Bass pumpt mit voller Wucht aus den Lautsprechern, der gesamte Sound der Band ist trocken wie Wasa Knäckebrot und dennoch einfach nur saugeil! Albini schwitzt und rockt, versaut sogar ein wenig den Text des besten Songs der Band „Prayer to god“, aber der Eindruck das hier eine der besten Bands des Genres am Werke ist kann das keineswegs trüben.


Der Drummer ist ein Tier, der Bassist zu Späßen aufgelegt und beantwortet in der kleinen Verschnaufpause die Fragen aus dem Publikum, gleichzeitig hinterlässt die gesamte Band einen total entspannten und arrogant-sympathischen Eindruck. Man merkt, dass das ein Projekt ist, eine Band mit Musikprofis die Ihr Lebensunterhalt mit anderen Sachen verdienen und es sich leisten können aus dem purem Spaß an der Sache hin und wieder eine Platte aufzunehmen oder eine Tour zu spielen. Plattenverkäufe und Charts gehen ihnen am A. vorbei und viel Merchandising muss auch nicht sein. Das Publikum dankt Ihnen dennoch für diese Haltung, zählt für den Drummer den Rhythmus des angeblichen nächsten Tracks mit „one, two, three“ an und bekommt prompt das Statement des Abends um die Ohren. „We are a fucking math-rock band, so you have to count to at least like 13 and a half or something”. Und das dürfte wohl stimmen, wobei man auf gar keinen Fall so lange zählen müsste um die Musik der Band zu verstehen, denn diese geht direkt in den Nacken und hinterlässt danach Schmerzen. Shellac sind Minimalisten in dem was tun, aber (es sei mir dieser platter Vergleich verziehen) sie ziehen das Maximum daraus. Und da wären wir wieder versöhnt mit Berlin und dem Ganzen anderen drum herum was mit dem Wort M. anfängt. Viva la Minimal in Berlin! Indeed!

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