Sonntag, 26. Oktober 2008

23.10.2008 calexico + bodies of water @ fabrik, hamburg


BUENAS TARDES AMIGO!

Alleine auf Konzerte zu gehen hat auf alle Falle irgendwas Positives und Reinigendes. Vor dem Konzert Drinks zu sich nehmen um in Stimmung zu kommen fällt aus, man ist ja schließlich kein Alki um alleine vorzuglühen. Während der Live-Darbietung muss man sich auch keine Gedanken machen ob denn das was gerade stattfindet den nach viel Überzeugungsarbeit mitgeschleppten Freuden auch gefällt. Und schließlich sind dann alle Daheimgebliebenen die Loser, die was cooles verpasst haben. Man ist alleine mit vielen Fremden und der Musik die einem einfach gefällt. Also wo waren wir noch mal? Ach ja, das Calexico Konzert. Und wenn schon so großtönend geredet wird, war das wirklich so ein einmaliges Erlebnis? Ach nö, aber schön war es trotzdem.

Am Anfang macht mich die Anzahl der Grauköpfe in der ausverkauften Fabrik nachdenklich. Bin ich im falschen Film wo alle auf dem Konzert nur bequem in den Ecken sitzen und Prosecco schlürfen? Calexico wirklich Altherrenrock wie ein Freund die mal abgestempelt hat? No way, also in die erste Reihe und abwarten.

Bodies Of Water spielen zu erst. Die Sängerin ist barfüßig und trägt ein Ganzkörperbody sowie eine Mireille-Mathieu-für-Anfänger-Frisur. Dabei grinst sie dauernd und freut sich über jeden Applaus und Zeichen der Aufmerksamkeit. Wie ein 8-jähriges Mädchen dass einen Shetlandpony im Streichelzoo reiten darf. Naiv und sympathisch ist das, wie auch die ganze Band die ihre hippiesken Folk-Rock Lieder zum Besten gibt. Teilweise sehr stoisch, mehrstimmig und fast schon so kämpferisch wie die sozialistisch angehauchten Kampflieder der Arbeiterklasse. Applaus ist sogar mehr als nur höflich was die Frau um so mehr zum Grinsen bringt.

Der Kopf sagt: „Sind doch irgendwie herrlich altmodisch, aber nicht muffig und ziemlich eigenständig“. Live zieht es trotzdem nicht, was wohl am nicht ganz optimalen Sound liegen dürfte (am Anfang ist der Bass gar nicht zu ertragen) und der viel zu hohen Anzahl von Ahs-and-ohs-per-second und das auch mit einer ziemlich hohen fast quieksigen Stimme der besagten Dame. Auf der Platte aber ganz gut. Tipp und ein heimlicher Hit: „Under The Pines“. Bitte reinhören.


Vor dem Headliner ist die Vorfreude bei vielen sehr groß: zu groß sogar wenn man die Dame in der ersten Reihe so laut kreischen hört, dass man zwangsläufig an Tokio Hotel Fans denken muss. Auf der Bühne scheint alles ganz schön professionell abzulaufen: ein halbes Dutzend Musiker, dreimal so viele Instrumente, Roadies, Wasser in den Plastikfläschchen, Handtücher und bereits ausgedruckte Tracklisten.


Dann geht’s auch schon los mit dem ganz coolen Joey und einem freundlich das Publikum anlächelnden John am Schlagzeug. Der warme perfekt abgemischte Sound umhüllt einen bereits bei den ersten Tönen von „Spokes“. Die Visuals passen auch optimal zum rustikalen Ambiente der Fabrik und lassen die Bühne in einem ganz neuen Licht erstrahlen.


Selten diese Location so schön und bezaubernd erlebt, genauso selten einen Schlagzeuger der so gefühlvoll mit seinem Instrument umgeht und dennoch das Maximum an Präzision und Sound rausholt. Ein wahre Freunde ist das und auch die Tracks klingen live kräftiger, rauer einfach mehr auf den Punkt gebracht als sonst auf der Platte.


„Roka“ mit pumpenden Kontrabass, „Not Even Stevie Nicks“ mir einer elektrischen statt akustischen Gitarre und „ House Of Valparaiso“ mit der wunderbaren Trompetenmelodie, alles große Klasse.


Überhaupt erst jetzt wird klar dass diese Band auf der Bühne ganz andere neue Facetten ihrer Musik zeigt, ihren Klangspektrum erweitert und einfach nur super klingt. Ich frag mich schon wie geil das ganze mit einem echten Mariachi-Orchester ausgesehen hat als sie damit getourt haben. World Music par excellence und ohne faden Beigeschmack des pseudo-hippiesken Weltverstehens-und-Liebhabens.


Und auch der Anfangsverdacht der abgeklärten Bühnenroutine wird von John zerstört als er auf sein Gitarrenkabel tritt und es herausreißt, später noch sein Instrument lange stimmen muss und ab und zu kleine Probleme mit dem Bodeneffektpedal, hat.


Zum Schluss noch ein paar Tropfen Wermut im Freudenbecher gefällig? Kein Problem: „Two Silver Trees“ klingt für meinen Geschmack zu sehr nach Schmalz-80ern, bei „Inspiracion“ verwechseln die Damen vor der Bühne das Konzert mit einem umsonst Salsa-Kurs für Anfänger und irgendwelche besoffenen Spackos wieder ganz vorne lachen und labern viel zu laut, so dass man sich fragt was sie hier überhaupt verloren haben.

Alles Nebensachen, denn nach psychedelischem Gute-Nacht-Abgang „Red Blooms“ kann man im Grunde genommen nur eins sagen: „Muchas Gracias Amigos!“



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Dienstag, 14. Oktober 2008

12.10.2008 the pharmacy + adrian orange & her band @ astra stube, hamburg


WE ARE ALL ON DRUGS

Am Anfang bin ich ein wenig verwirrt, obwohl die gemütlichen Sonntagskonzerte in der Astra Stube langsam zu einer netten Tradition geworden sind, muss man doch wenigstens wissen wer überhaupt heute die kleine unscheinbare Bühne betreten wird. Pharmacology? Thanksgiving? Agent Orange? Her? Band? Well, egal, whatever, erst mal ein obligatorisches Astra und abwarten; die Freunde meinten ja es wird zwar qualitativ Lo-Fi, künstlerisch aber definitiv High Five.

Also, The Pharmacy first: schon mit den Instrumenten bewaffnet und bereit los zu legen. Der englischsprachige Typ hinter mir trägt ein Holzfällerhemd und erinnert mich selbstverständlich an Grunge. Prompt sagt der komische Kauz auf der Bühne, ausgestattet mit der kaputten Fender inklusive Ramones-Aufkleber dass sie aus Seattle kommen. Hey, da kann ja anscheinend doch nichts Schlechtes kommen und bevor ich die vertrauten Big Muff Klänge höre finde ich die Band auf Anhieb sympathisch.


Eine vintage Collegerock-party die in der Garage stattfindet, mit vielen Keyboards und Singalongs anstelle von den normalerweise zur Standardausstattung gehörenden Bass. Mit warmen Pop-Appeal dass zum tanzen und rhythmischen Zucken animiert bringt die Band eine gewisse Portion Fisherman's Friend Frische (FFF) in die Stube. Da kann man auch darüber hinweg sehen dass die Songs ab und zu ein wenig ähnlich klingen und die Typen ganz seltsame Tattoos haben.


Punktsieg für den Booker: schöne Partyatmosphäre mit einer Prise 90-er Nostalgie, was wohl an der Herkunft und Gitarrensound der Band liegen dürfte. Und dass an einem Sonntagabend. Schafft nicht jeder, aber der Hauptakt soll ja noch eigentlich kommen.


Adrian Orange also heißt der Typ der den Headliner mimen soll, jetzt weiß ich es endlich. Dessen angebliche Band besteht eigentlich nur aus einem Laptop und einer Frau die lederne Cowboy-Chaps trägt. Beide sind ein wenig seltsam drauf und der Eindruck verstärkt sich als alle Lichter im Klub ausgehen und ein Stroboskop angeschmissen wird. Dann fängt die Show an: Beats und teilweise esoterisch anmutende Klänge aus den Boxen, ein wenig Gitarrengeplänkel, Mundharmonika und schamanenartige Gesänge. WTF? Die Frau mit dem „Lazy-K“-Tattoo (ja auch hier war der Hautkünstler der ihren flächenmäßig größten Organ verschönern sollte ein wenig dilettantisch und Lo-Fi drauf) performt auf der Bühne einen selbst reinigenden Ritual und Mr. Orange taumelt Kapuzen bedeckt in der Ecke wie ein Geist von Kurt Cobain.


Und stündlich grüßt das Grunge-Music-Tier. Die Bestätigung kommt sofort als „Something In The Way“ angestimmt und derart schlecht und kaputt vorgetragen wird dass es einem spätestens jetzt klar sein muss dass die „Band“ richtig „far-out there“ ist. Dass sie sich bei der Darbietung des „Nevermind“-Klassikers nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben ist der Band auch klar. Also wird das Stück noch mal und noch schlechter und schiefer gespielt. Ab hier muss wohl das Wort Konzept fallen. Was danach kommt aber sind wieder seltsame Beats und Gekreische, Wortfetzen aus Fatboy Slim's „Praise You“, Techno und schließlich die Frage ob denn jemand im Publikum Rapmusik möge.


When the music's over turn ON the lights, hätte ich in diesem Fall vorschlagen. Die Protagonisten schlendern aber leise von der dunklen immer noch in Stroboskoplicht getauchten Bühne und lassen irgendwelche laute Hip-Hop Mucke laufen. Der Typ im Holzfällerhemd hinter mir steht fast regungslos da und starrt in die Leere. Draußen sagt einer dass die „Konzept“-Band gar keinen Konzept hat und eigentlich nur einfach Kacke ist.

Meine rechte Gehirnhälfte ist nach einer Stunde Stroboskoplicht betäubt und funktionsunfähig. Zum zweiten Mal an diesem Abend bin ich verwirrt. Was war das denn für ein Drogentrip zweier Verrückter auf der Bühne? Ein wenig Hardcore in den Kopfhörern sollte ein Quantum Klarheit in die Gedanken bringen. Tut es aber nicht. Also bis zum nächsten mal in der Stube, aber bitte gibt den Musikern auf der Bühne nur Bier oder Cola; mit der ersten Band hat es ja hervorragend geklappt.

Was die zweite angeht steht meine Meinung noch aus, außer they were all on drugs!

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Dienstag, 7. Oktober 2008

05.10.2008 trip fontaine @ astra stube, hamburg


THINGS GOTTA GET BETTER THINGS GOTTA GO ON

Also die Voraussetzungen sind denkbar schlecht: ein langes Wochenende voller Parties und Konzerte neigt sich dem Ende zu, das Hamburger Wetter bemüht sich mit aller Macht allen zu zeigen dass es nur mit zwei Worten = nass und kalt = assoziiert werden kann und dennoch ist man dabei. Warum fragt man sich und alle nach viel Überzeugungsarbeit mitgebrachten Freunde gleich mit. Na weil man eine der geilsten jungen deutschen Bands überhaupt live in der gemütlichen One-Room-Apartment Atmosphäre der Astra Stube sehen kann!

Die Erwartungen bei all den gefühlten Opfern die man gebracht hat, sind schon groß und auch wenn die Band noch ungerechterweise relativ klein ist, muss sie eben mithalten und diese womöglich übertreffen. Von vorne rein eigentlich eine mission impossible, aber sei’s drum.


Um die leisesten Zweifler im Publikum gleich aus der Bude zu pusten wird ordentlich losgelegt und gebrettert was das Zeug hält und das gleich mit drei Gitarren. Straight in your face also, und so bleibt es bei fast allen Songs, denn poppige und melodische Stücke bleiben heute Abend draußen; konsequent und obwohl einige der Bandmitglieder verschnupft und erkältet sind.

Spaß macht es trotzdem, weil die Qualität mit der die Jungs aus „Tra-la-la“ (O-Ton bei der Vorstellung der Band, oder habe ich mich da verhört und Rodgau falsch verstanden?) ihren post-irgendwas-indie-etwas-core präsentieren sucht hierzulande ihresgleichen. Dabei muss es ja nicht immer gesungen oder kompliziert rumgefrickelt werden (sorry Exits To Freeways, da könnt ihr noch was lernen, vor allem dass die Songs nicht nur aus tausenden von Breaks und zwanzig verschiedenen Musikrichtungsansätzen bestehen müssen). Und immer die gleichen Instrumente in der gleichen Besetzung zu spielen ist auch langweilig, also spielen wir ein wenig die Reise nach Jerusalem und tauschen untereinander die Instrumente.


Immer auf der Minibühne zu stehen und At The Drive-In zu mimen ist auch Kacke, wir sind ja hier nicht bei der Mini-Playback-Show, also trommeln wir ein wenig vor der Bühne auf dem Boden, spielen Seite an Seite mit den Zuschauern in der ersten Reihe und vor allem zeigen hier allen dass wir komplexe und eigenständige aber gleichwohl eingängige Mucke machen.

Indeed, f*ckers! Aber warum bloß so f*cking kurz?


Keine Zweifel am Einsatz und Schweißproduktion auf der Bühne aber dennoch erinnerte der kurze Gig an eine Support Show für jemanden „Großen“ der danach kommen würde und für den die Zuschauer so um die 30 Moneten pro Nase gezahlt hätten. Denn genau bei solchen Gigs hat man nicht unbedingt alle Zeit der Welt um zu zeigen was man musikalisch so drauf hat und muss das Publikum in kürzester Zeit überzeugen, so dass diese wenigstens CD’s oder Merchandising-Artikel kaufen und zu weiteren Konzerten der eigenen Band kommen.

Und das werden wir auch, aber dann bitte richtig und mit „Selling The Summer“ (ja, ja mein geheimer Emo-Wunsch, aber wenn die Leute in MCR Hoodies zu Trip Fontaine Konzerten kommen dann darf ich so was auch) und „Moon Balloon“ (warum auch nicht, zeigt ja nur die Vielseitigkeit) so dass man nach dem Konzert auch richtig sagen kann „I feel great, I never felt better!“

Aber für den Moment ist „das Ende vom Zelt“ erreicht, Fortsetzung muss folgen.

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